Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde,

in diesen grauen Novembertagen kommt eine frühzeitige Einladung zu Silvester vielleicht schon recht.
Hier eine Einladung unserer Stiftung, die Sie auch als Postkarte verwenden können.

mit freundlichen Grüßen,
Thomas Schmitz-Bender
14.11.2014
P.S.: Fragen werden natürlich gerne beantwortet.
Einladung zum
Dreigroschen-Silvester
Für Hanne Hiob (1923-2009) und Manfred Wekwerth (1929-2014) und alle, die eine menschlichere Welt nicht nur wollen!

Mit der "deutsch-deutschen Clowns-Nummer" (Inszenierung Manfred Wekwerth) und alten sowie erst nach 1945(!) entstandenen Songs aus der "Drei­-Groschen-Oper" von Bertolt Brecht und Kurt Weill. Daneben gibt es Gutes zu Essen und zu Trinken. Der Eintritt ist kostenlos, aber nicht umsonst, sondern um reichliche Spenden für den Abend und die Stiftung wird gebeten!

31. Dezember 2014

ab 21 Uhr (Clowns-Nummer ca. 22 Uhr)

in den Räumen des Verlags Das Freie Buch
und des Arbeiterbunds für den Wiederaufbau der KPD
Das Haus mit der Roten Fahne
Tulbeckstr. 4, 80339 München
Einladungsbrief (mit Programm) zum Ausdrucken

                
Aus dem Programm

Wenn keiner was vortragen will, dann will ich selber eine Kleinigkeit zum besten geben und zwar werde ich ein Mädchen nachmachen, das ich einmal gesehen habe. Es war das Abwaschmädchen, und Sie müssen wissen, daß alles über sie lachte und daß sie dann die Gäste ansprach und solche Dinge sagte, wie ich sie Ihnen gleich vorsingen werde.
DIE SEERÄUBERJENNY
oder Träume eines Küchenmädchens.
1
Meine Herren, heute sehen Sie mich Gläser abwaschen (…)
Aber eines Abends wird ein Geschrei sein am Hafen
Und man wird fragen: Was ist das für ein Geschrei?
Und man wird mich lächeln sehen bei meinen Gläsern
Und man sagt: Was lächelt die dabei?
Und ein Schiff mit acht Segeln
Und mit fünfzig Kanonen
Wird liegen am Kai.
4
Und es werden kommen hundert gen Mittag an Land
Und werden in den Schatten treten
Und fangen einen jeglichen aus jeglicher Tür
Und legen ihn in Ketten und bringen vor mir
Und fragen: Welchen sollen wir töten? (…)
Und dann werden Sie mich sagen hören: Alle!
Und wenn dann der Kopf fällt, sag ich: Hoppla!
Und das Schiff mit acht Segeln
Und mit fünfzig Kanonen
Wird entschwinden mit mir.
***
Ein kleiner Chor trägt zunächst nur die erste Strophe des „Kanonen-Songs“ aus der „Dreigroschenoper“ vor, die mit dem berühmten Refrain endet:

Soldaten wohnen
Auf den Kanonen
Von Cap bis Couch Behar.
Wenn es mal regnete
Und es begegnete
Ihnen ´ne neue Rasse
´ne braune oder blasse
Da machten sie daraus sie vielleicht ihr Beefsteak-Tatar.

Die „Dreigroschenoper“ wurde uraufgeführt wenige Jahre, wenige Jahre bevor die Nazis an die Macht kamen. Nach dem Sieg über Nazi-Deuschland wurde sie sogleich in Ost- und Westdeutsch­land gespielt. Und noch in den USA schrieb ein wutentbrannter Brecht auf die gleiche Melodie einen „Neuen Kanon-Song“, den wir Ihnen jetzt singen werden.
DER NEUE KANONEN-SONG
1
Fritz war SA und Karl war Partei
Und Albert bekam doch den Posten.
Aber auf einmal war all dies vorbei
Und man fuhr nach dem Westen und Osten.
Der Schmitt vom Rheine
Braucht die Ukraine
Und Krause braucht Paris.
Wenn es nicht regnete
Und man begegnete
Nicht fremdem Militäre
Dem oder jenem Heere
Dann kriegt Meier aus Berlin
Bulgarien gewiß.
...
3
Schmitt kam nicht mehr heim und Deutschland war hin
Hat nach Leichen und Ratten gerochen.
Aber in dem zerstörten Berlin
Wird vom d r i t t e n Weltkrieg gesprochen.
Köln liegt in Scherben
Hamburg im Sterben
Und Dresden liegt zerschellt.
Doch wenn Amerika
Sah diese Russen da –
Vielleicht wenn die sich krachten?
Dann gibt´s ein neues Schlachten
Und Krause wieder im grauen Fell
Kriegt doch noch die Welt.

Vor der notwendigen Pause folgt ein kurzer Film über die jüngste deutsche Katastrophe, die vielleicht nicht unschuldig sein wird an einem neuen Weltkrieg. Es ist die „deutsch-deutsche Clowns-Nummer“, die in Anlehnung an eine Szene von Brecht die deutsche Einigung von 1989 / 90 darstellt …

Brecht, 25.9.45: wir hören, daß in berlin die DREIGRO­SCHEN­­­OPER aufgeführt wurde, vor vollen häusern; dann abgesetzt werden mußte auf betreiben der russen. die BBC (london) habe als protestgrund die ballade „erst kommt das fressen, dann kommt die moral“ angeführt. ich selbst hätte das stück nicht aufführen lassen. in abwesenheit einer revolutionären bewegung wird die „message“ purer anarchismus.
DENN WOVON LEBT DER MENSCH?
1
MAC
Ihr Herren, die uns lehrt, wie man brav lebt
Und Sünd und Missetat vermeiden kann
Zuerst müßt ihr uns was zu fressen geben
Dann könnt ihr reden: damit fängt es an.
Ihr, die ihr euren Wanst und unsere Bravheit liebt
Das eine wisset ein für allemal:
Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.
Erst muß es möglich sein auch armen Leuten
Vom große Brotlaib ihr Teil zu schneiden.
STIMME hinter der Szene:
Denn wovon lebt der Mensch?
MAC
Denn wovon lebt der Mensch. Indem er stündlich
Den Menschen peinigt, auszieht, anfällt, abwürgt und frißt.
Nur dadurch lebt der Mensch, daß er so gründlich
Vergessen kann, daß er ein Mensch doch ist.
CHOR
Ihr Herren bildet euch da nur nichts ein:
Der Mensch lebt nur von Missetat allein.
2
JENNY
Ihr lehrt uns, wann ein Weib die Röcke heben
Und ihre Augen einwärts drehen kann.
Zuerst müßt ihr uns was zu fressen geben
Dann könnt ihr reden: damit fängt es.
Ihr, die auf unserer Scham und eurer Lust besteht
Das eine wisset ein für allemal:
Wie ihr es immer schiebt und wie ihr´s immer dreht
Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.
(…)
NEUFASSUNG DER BALLADE, IN DER MACHEATH UM VERZEIHUNG BITTET
(…)
Die Kerle, die in Häuser brechen
Dieweil sie keine Bleibe kennen;
Die Lästermäuler, selbst die frechen
Die lieber schimpfen statt zu flennen;
Die Weiber, die den Brotlaib stehlen;
Sie könnten eure Mütter sein!
´s mag ihnen nur an Härte fehlen –
Ich bitt euch, ihnen zu verzeihen.
Habt da mehr Nachsicht mit den kleinen
Und weniger mit den großen Dieben
Die euch in Krieg und Schande trieben
Und betten euch auf blut´gen Steinen.
Die euch gepreßt zu Mord und Raube
Und nunmehr winseln ihr „Vergib!“ –
Stopft ihnen ´s Maul und mit dem Staube
Der von eur´ren schönen Städten blieb!
Und die da reden von Vergessen
Und die da reden von Verzeihn –
All denen schlage man die Fressen
Mit schweren Eisenhämmern ein.
1948
NEUER SCHLUSSCHORAL
Verfolgt das kleine Unrecht nicht; in Bälde
Erfriert es schon von selbst, denn es ist kalt:
Bedenkt das Dunkel und die große Kälte
In diesem Tal, das von Jammer schallt.
Zieht gen die großen Räuber jetzt zu Felde
Und fällt sie allesamt und fällt sie bald:
Von ihnen rührt das Dunkel und die große Kälte
Sie machen, daß dies Tal von Jammer schallt.
1948

DREIGROSCHENSILVESTER

31. Dezember 2014 ab 21 Uhr
Im Haus mit der Roten Fahne
Tulbeckstr. 4, 80339 München
Veranstaltet von der Stiftung für die unliterarische
Verwendung der Literatur (Hiobs Vermächtnis)

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